Von
Schönbuche
Nach einem Faulenzer-, Bummel- und Schlemmertag in der super schönen Stadt Aachen, die ich nun, nach meinem zweiten Besuch noch mehr mag, war wieder Wandern angesagt. Nachdem wir die ersten drei Etappen des Eifelsteigs ganz bzw. als Teilabschnitt erkundet hatten, interessierten wir uns für die 4. Etappe, welche von Einruhr nach Gemünd führt. Doch auch diese war für uns, wie auch schon die 3. Etappe, nicht gut erreichbar. Somit entschieden wir uns wieder für einen ihrer markierten Partnerwege, die
Wasserlandroute.
Auf dieser Tour gibt es, wie der Name schon sagt, viel Wasser zu sehen, und zwar die Stauseen dieser Gegend, allesamt eingebettet in eine wunderschöne hügelige Landschaft. Die Strecke führt, in Einruhr beginnend, am Obersee (der gestauten Rur) entlang bis zur Staumauer der Urftalsperre. Diese Strecke fällt mit dem Eifelsteig zusammen, immerhin etwas über 7 Kilometer. Auf der anderen Seite des Obersees geht es zurück, über den Staudamm zwischen Obersee und dem Rurstausee.
Das Ganze sieht als Luftaufnahme erst richtig spannend aus, finde ich – eine riesige zerklüftete Wasserlandschaft, wie hier z.B. die Rurtalsperre. Die Seen sehen gar nicht wirklich aus wie Seen, sondern wie dicke geschwollene Flüsse, die sich durch die Landschaft winden, und das sind sie ja auch. In den Betrachtungsgenuss von oben sollten wir heute jedoch nicht kommen. Wir wollten die Gewässer per Pedes erkunden und würden nur einen kleinen Ausschnitt dieser einzigartigen Landschaft zu sehen bekommen. Es war aber trotzdem eine wirklich sehr schöne Tour, und das bei wunderbarem Sonnenschein und spätsommerlichen Temperaturen.
Kurz nach 10 Uhr fuhren wir los Richtung Einruhr und mussten unterwegs schon einmal anhalten, um einen ersten wunderschönen Blick auf die Seenlandschaft und die liebliche Bergwelt zu genießen.
Punkt 11 Uhr starteten wir unsere Wanderung in Einruhr. Zunächst, wie oben erwähnt, auf dem Eifelsteig Richtung Gemünd.
Zunächst ging es flott aufwärts im Ort. Danach auf einem schönen Weg zwischen eingezäunten Weideflächen entlang.
Belohnt werden sollten solche Anstrengungen ja immer mit einer schönen Aussicht, und so war es auch, Einruhr und der Obersee lagen unter uns, ein schönes Bild.
Schließlich entfernten wir uns immer weiter von Einruhr und vom Obersee, liefen durch Waldgebiete hindurch und standen ca. 40 Minuten später am Eingang des ehemaligen NATO-Truppenübungsplatzes Vogelsang.
„Vogelsang“ – ein Name, der reine Naturidylle assoziert. Heute dient das Gebiet ja auch dem Naturgenuss, darf durchwandert und durchradelt werden, jedoch erteilt eine große Tafel am Eingang dem Wanderer strenge Verhaltensvorschriften und sogar die Warnung „Lebensgefahr“!
„Qualmen dürfen hier nur die Socken“, wurde da festgelegt, womit wir durchaus kein Problem hatten, und wegen noch vorhandener scharfer Munitionsreste und Blindgänger ist es streng verboten, von den Wegen abzuweichen…
… woran wir uns natürlich freiwillig ganz brav hielten. Wir traten nicht ein… auch nicht aus… wie auch immer…
Uns kamen reichlich Radfahrer entgegen, aber auch für Wanderer ist das Gebiet ein idyllisches Stück Weg.
Schön, dass hier jetzt gewandert, und nicht mehr geballert wird.
Der Weg führte zurück zum Obersee, den wir hier und da durch die Bäume am Ufer hindurch schimmern sehen konnten. Ein angenehm schattiger Weg. Es war jetzt ordentlich warm geworden.
Hier legten wir unsere Mittagspause ein und erleichterten unsere Vesperdosen.
Kurz darauf kamen wir zum ersten richtig schönen Aussichtspunkt auf den See. Jedoch war dieser leider vollständig belegt und blockiert. Und zwar von einer Frauengruppe, die sich auf der Plattform ausgebreitet hatte und sich wohl gerade in tiefster Meditation befand. Mehrere Frauen standen da mit geschlossenen Augen, die Arme zur Seite gestreckt. Eine der Frauen, offensichtlich die Leiterin dieses geist- und sinnvollen Kurses, sprach mit bedeutsamer Stimme auf die Damen ein und hielt sie an, nun doch einmal in sich hinein zu fühlen, denn dann würden sie deutlich spüren, wie sie sich einmal nach links und dann wieder nach rechts neigen. Nun, ich konnte keine Neigung erkennen – aber auch leider nichts vom See. Stattdessen war ich ziemlich verärgert über so viel Rücksichtslosigkeit. Wahrnehmungsübungen sind zweifelsohne eine spannende und wichtige Selbsterfahrung, aber wenn man über lauter Selbstwahrnehmung die Bedürfnisse anderer Menschen nicht mehr wahrnimmt, kann das nicht gut sein. Ganz davon abgesehen, dass ich mich frage, wie man entspannt in sich hinein fühlen kann, wenn man dabei pausenlos von fremden Vorbeiwanderern angeglotzt wird. Leider habe ich es nicht fertig gebracht, diese wichtigen Übungen zu stören und um Durchlass zur Aussicht zu bitten oder auch nur ein Foto zu machen. Bin eben gut erzogen.
Also liefen wir weiter. Es kamen weitere schöne Ausblicke auf einen spiegelglatten See.
Schöner Weg, rechts steiler Felsen…
… links der Obersee.
Wir näherten uns der Staumauer. Hier und da waren mit Wasser gefüllte Löcher zu sehen – Einschlaglöcher aus dem 2. Weltkrieg zeugten von den Versuchen, die Staumauer zu zerstören.
Nochmals ging es ein kurzes steiles Stück hoch…
… dann waren wir an der Staumauer angekommen.
Wir liefen auf die andere Seite.
Die Staumauer trennt den Obersee von der Urftalsperre. In dieser stand das Wasser heute ziemlich niedrig, sah etwas trostlos aus.
Mit dem Weg über den Staudamm hatten wir den Eifelsteig verlassen. Wir hielten uns links und wanderten auf der anderen Seite des Obersees zurück. Die Blicke auf den Obersee gaben dafür alle paar Meter wieder eine neue schöne Kulisse.
Wir liefen einen breiten sonnigen Weg, immer nahe am Seeufer entlang. Spaziergänger und Radfahrer waren unterwegs. Schließlich tauchte am gegenüberliegenden Ufer Rurberg auf.
Wir kamen zu einem weiteren Staudamm – zum Rurstausee.
Inzwischen war es richtig warm geworden – zu warm für mich. Wir liefen über die Staumauer, um uns in Rurberg ein Café zu suchen. Im Straßencafé eines Hotels gönnten wir uns eine ausgedehnte Pause unter einem ausgedehnten Sonnenschirm und natürlich bei Kaffee und Kuchen. Wir waren jetzt echt kaputt und saßen da ziemlich lange.
Uschi kam ins Gespräch mit einem älteren Herrn am Nachbartisch. Er erzählte von einem Café weiter unten direkt am Ufer des Obersees, welches Uschi aus ihrer Kindheit kannte, das „Café am Obersee“. Hier war sie oft mit ihren Eltern hergekommen, bzw. die Eltern mit ihr. Muss ein idyllisches Fleckchen sein, und was Uschi nicht wusste – das Café soll es immer noch geben und auch den Inhaber, er sei inzwischen über 90 Jahre!
Uschi wollte nun gern zu diesem Café und schauen, wie es am Platz der Familiensonntage ihrer Kindheit heute aussieht. Ich schaute auf die Karte meines Smartphones, und ich entdeckte tatsächlich etwas unterhalb unserer Route, direkt am Ufer, das Zeichen für Gastronomie. Irgendwo fanden wir dann auch einen Wegweiser Richtung Cafe, der uns nach links vom Weg ab wies. Er führte hinunter zum See, und kurz darauf fanden wir die Einfahrt.
Es sah hier total verwildert aus. Aber romantisch-verwildert, alles alt und zugewachsen. Jedenfalls nicht wie gelebte Gastronomie. Hier war sicher lange niemand mehr eingekehrt. Ich überließ Uschi erst einmal ihren Erkundungen, fand ein steiles Treppchen und eine Bank direkt am Ufer, ein wunderschöner Platz, zog meine Schuhe und Strümpfe aus und steckte meine Füße ins kühle Wasser. Herrlich. Von hier unten hörte ich Uschi plötzlich mit jemandem reden, offensichtlich hatte sie den Besitzer gefunden. Schön haben Sie es hier, sagte sie, und die Stimme eines alten Mannes antwortete: Ein Paradies! 🙂
Die beiden plauderten eine Weile miteinander. Ich kletterte das Treppchen wieder hoch, gesellte mich dazu und begrüßte den alten Mann.
Er saß im Garten eines einst mit Sicherheit wunderhübschen Häuschens.
Hinter dem Haus zahlreiche gemütliche Sitzgruppen, ein wirklich richtig gemütlicher und romantischer Garten mit Blick über den See. Leider alles inzwischen ziemlich verwildert und verwittert… Uschi erzählte, dass sie als Kind oft mit ihren Eltern hier gewesen sei. Es gab dann immer eine Bockwurst mit Senf und einer Scheibe Brot.
Leben Sie denn ganz allein hier, fragte sie den Mann. Ja, ganz allein. Seine liebe Frau sei vor 5 Jahren gestorben. Sie war 15 Jahre jünger gewesen als er. Ob er denn keine Angst habe, so ganz allein, fragte Uschi weiter. Nein, keine Angst. Warum soll ich Ansgt haben. 60 Jahren lebe ich hier. Ein Paradies.
Und vor allem mit euch beiden würde ich es aushalten, meinte er, und es blitzte kaum wahrnehmbar in seinem Gesicht. Das Flirten verlernt man also auch im hohen Alter nicht – das ist ja erfreulich, dachte ich. 😀
Nur vor dem nächsten Samstag habe er Angst. Da sei sein Geburtstag – er wird 99 Jahre! Und da werden sicher viele Leute kommen, auch die Zeitung.
Ob sich denn jemand um ihn kümmere, fragte Uschi. Ja, seine 2 Neffen schauen nach ihm, und er bekommt täglich Essen auf Rädern.
Da entdeckte ich durch die offene Tür eine umfangreiche Puppensammlung, und auch in den Fenstern saßen Puppen – richtig schöne Figuren mit Porzellangesichtchen und aufwändigen Kleidchen. Ja, die habe alle seine liebe Frau angefertigt, sagte er. Alle von seiner Frau. Aber nun sei sie tot, vor 5 Jahren gestorben…
So plauderten wir noch Weile, ehe wir uns verabschiedeten – mit einer Mischung aus Bewunderung und Beklemmung. Ob es dem alten Mann wirklich gut geht und er gut versorgt ist? Warum kümmert sich niemand um das hübsche Häuschen und den Garten? Wie schön könnte man das alles wieder herrichten!
Aber vielleicht dachten wir einmal wieder viel zu viel. Vielleicht war der alte Mann wirklich zufrieden und glücklich – über die 60 wunderbaren Jahre mit seiner lieben Frau und darüber, dass er hier leben durfte – im Paradies.
Wir liefen den Weg wieder hoch und trafen kurz darauf wieder auf unsere Route. Ein Waldweg führte uns weiter am See entlang. Immer wieder eröffneten uns schöne stille Bilder einer abendlichen Stimmung.
Die letzten Schiffe waren unterwegs. Endlich tauchte am anderen Ufer Einruhr auf.
Und endlich konnten wir übers bevorstehende Abendessen reden…
Am Ortseingang war uns schon heute Morgen das Café Zur Post aufgefallen wegen seines gemütlichen Gartens. Die Speisekarte klang auch verlockend. Uschi hatte Appetit auf Forelle, und mir empfahl der Inhaber ein leckeres vegetarisches Gericht – einen Kartoffel-Gemüse-Pfannenkuchen mit Käse überbacken. Ich will es kurz machen – heute Abend erlebten wir unsere erste und einzige kulinarische Enttäuschung, um nicht von Entsetzen zu reden. Nachdem wir bestellt hatten, bekam ich mit, wie eine Frau am Nachbartisch die Forelle kritisierte – sie sei nicht gut gewesen und nicht wirklich frisch, was jedoch vom Inhaber als unglaubwürdig zurück gewiesen wurde. Bei ihm sei alles frisch! Uschis Forelle war dann jedoch ähnlich ungenießbar. Und mein Pfannenkuchen, mehr Mehl als Kartoffel, klebte ganz schön zwischen den Zähnen, das Gemüse darauf waren ein paar wenige Schnipsel aus Paprika und ein paar Pilzspalten, darauf hatte man lieblos 2 viereckige Käsescheiben geworfen. Statt des bestellten Kräutertees bekam ich einen dunklen Früchtetee, was ich überhaupt nicht mag – 2 Teebeutel in einem kleinen Kännchen, was eine dicke und widerlich süße Tinte ergab. Nur Uschis Bier schmeckte gut, aber da kann man ja nichts falsch machen. Wo haben die Mitarbeiter nur ihre Gastronomieausbildung gemacht??
Wir beschwerten uns, wollten uns jedoch nicht unsere gute Urlaubsstimmung verderben lassen, fuhren heim und machten es uns noch ein wenig auf Uschis Sofa gemütlich – bei einem Gläschen Monschauer Els und leckeren Aachener Printen. Nun ging es uns wieder gut nach einem schönen Wandertag. Fast wie im Paradies.
Länge: 16 km
Quelle: Wandertouren Eifelsteig, Ulrike Poller und Wolfgang Todt, Verlag ideemedia GmbH
Beschreibung und GPS-Track: Eifelsteig – Partnerwege
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