Schon längst einmal wollte ich durch das Glastal wandern. Es soll eines der schönsten romantischsten Bachtäler der Schwäbischen Alb sein… wurde mir immer wieder berichtet. Im letzten Jahr, im April feierte ich ganz in der Nähe, im Gasthof Friedrichshöhle meinen runden Geburtstag und hatte für den Nachmittag für mich und meine Gäste eine kleine Wanderung ins Glastal vorbereitet (Meine Wander-Feier auf der Alb). Leider hatten wir es damals nicht bis ins Glastal geschafft. Wir waren bis zum Schloss Ehrenfels gekommen und dort falsch abgebogen. Schade, denn unmittelbar hinter dem Schloss Ehrenfels beginnt das Glastal!
Heute wollten wir also einen 2. Versuch starten. An meinem Geburtstag im letzten Jahr waren wir aus südlicher Richtung zum Glastal gelaufen. Da der Gasthof Friedrichshöhle im Winter jedoch geschlossen ist, wollten wir heute von der anderen Seite ins Glastal wandern. Im Internet findet man zahlreiche Wander-Varianten zwischen Hayingen und Zwiefalten. Ich suchte über meine GPSIES-App und entschied mich für eine Rundtour von freedoline, die wir dann noch spontan über den Lämmerstein ausdehnten.
Da die Tour zu einem großen Teil durch eine Kernzone des UNESCO Biosphärengebiets Schwäbische Alb führt, hofften wir auf jede Menge Ruhe und friedliche Natur, in die immer weniger bzw. nachhaltiger eingegriffen wird.
Das war unsere Runde:
Hayingen – Digelfeld – Glastal – Schweiftal – Lämmerstein – Hayingen
Aus Richtung Ehestetten kommend, fanden wir gleich am Ortseingang von Hayingen den Wanderparkplatz auf der rechten Seite. Hier waren wir ganz allein. Nach einem kurzen 2. Frühstück – Stärkung muss sein! – starteten wir am frühen Samstagvormittag unsere Tour. Thomas war wie immer eine Weile länger damit beschäftigt, alle Gegenstände in seinem Rucksack in eine tragekomfortable Position zu sortieren und dabei das Päckchen Papiertaschentücher nicht zu vergessen, und während er noch etwas Zeit benötigte, sich entweder für die dünne oder die dicke Mütze zu entscheiden, lief ich schon einmal ein paar Meter vor. Es blies ein eisiger Wind, und mir wurde schnell kalt, trotz Strahlesonne. Ich hatte ja nur die eine Mütze dabei, wartete aber trotzdem geduldig… schließlich übernahm er genauso geduldig mit mir immer bereitwillig den Fahrdienst, da mir längere Fahrten gerade am Morgen sehr sehr schwer fallen. Dann kam er endlich nach – auf seinem Kopf die – dicke Mütze. Gute Entscheidung!
Wir liefen erst einmal eine ganze Weile das Sträßchen Richtung Pfronstetten hinunter. Hier konnten wir gut auf einem Pfad neben der Straße laufen, und nur in sehr großen Abständen rauschte ein Auto an uns vorbei.
Es war herrlich – nein: OBERHERRLICH ruhig. Naja, bis auf die Flieger ab und zu, die wir den ganzen Tag immer wieder hören sollten. Erst später entdeckte ich auf der Karte das Hayinger Segelfluggelände. Diese „Sportart“ ist nun mal sehr beliebt auf der Alb. Ansonsten war es einfach wunderbar hier – Sonne, blauer Himmel, sanft hügeliges stilles Gelände mit Wiesen, Wacholderheiden und brach liegenden Äckern.
Einmal mehr träumten wir davon in einer so wunderschönen friedlichen Wandergegend zu leben… Doch wie und wo kann man hier sein Einkommen erwerben? Während wir solch existentielle Fragen erörterten, ohne ein befriedigende Antwort darauf zu finden, tauchte neben uns das Digelfeld auf, eine der größten Wacholderheiden der Schwäbischen Alb und Naturschutzgebiet, 121 ha groß, habe ich gelesen. Hier wachsen einige seltene Pflanzen- und auch Orchideenarten – natürlich nicht jetzt, im Februar.
Wer nicht bis Hayingen fahren möchte – hier gibt es einen „Wanderparkplatz Digelfeld“. Dieser lag natürlich ebenfalls noch völlig verlassen an der Straße.
Bald kamen wir am Hayinger Brückle an und einem nett gestalteten Rastplatz mit gleich 2 Grillstellen.
Hier bogen wir links ab ins Glastal und liefen zunächst auf einem breiteren Forstweg – im Sommer ein wohl eher schattiger Wanderweg. Doch da die Bäume noch komplett kahl und wir in südlicher Richtung unterwegs waren, konnten wir uns weiterhin gut von der Sonne wärmen lassen.
Zunehmend enger wurde das Tal, und wir bestaunten knorrige Bäume und bemooste Felsen.
Schroffe Felsen ragten auf der linken Seite empor, und immer wieder konnten wir Höhlen entdecken. Hier standen wir vor der Bärenhöhle.
Wir fragten uns, ob hier auch einmal Menschen, oder nur Bären übernachtet hatten und wie es sich wohl in solch einer Höhle lebt. Na immerhin mietfrei! Da wir aber die Frage nach dem immer noch notwendigen weiteren Lebensunterhalt nach wie vor nicht klären konnten, liefen wir weiter.
Vor uns tauchte bald ein ganzes Felsmassiv auf – der Lämmerstein.
Gut erkennbar (aber auf dem Foto sicher nur mit gutem Willen) das einzige Gipfelkreuz in dieser Gegend.
Von da oben soll man einen wunderbaren Blick ins Glastal und auf die Umgebung haben. Zu gern würde ich da hoch. Auf der Karte hatte ich einen kleinen Trampfelpfad nach oben erkannt, den wir bald erreichen mussten. Doch wenn wir den gehen wollen, müssten wir einen großen Teil des Galstals auslassen. Auf einer Kartentafel am Wegesrand entdeckte ich eine andere Variante: Am Ende des Glastals könnte man ins Schweiftal abbiegen. Von da aus kann man den Lämmerstein auch erreichen und zurück nach Hayingen, unserem Parkplatz gelangen. So änderten wir also unseren Wanderplan.
Wir folgten also weiter diesem Weg durchs Glastal. Hinter einem der Felsen entdeckten wir die Karstquelle des Hasenbachs, der das Glastal durchfließt. Allzu deutlich wurde uns nun eine der Deutungen für die Namensgebung des Glastals: Das glasklare Wasser des Hasenbachs. Eine andere Erklärung soll eine ehemalige Glashütte gegenüber des Lämmersteins sein. Wie auch immer, ein wunderbares Gurgeln und Plätschern untermalte ab nun die märchenhafte Kulisse in diesem verwunschenen Tal.
In regelmäßigen Abständen waren Schilder an einem der Bäume angebracht, die über Wissenwertes über das Glastal informierten und meist eine kleine Wanderkarte enthielten. Thomas war bereits viel weiter vorn aus meinem Blickfeld verschwunden, als ich gerade auf einem der Schilder etwas über Bannwälder – die Urwälder von morgen las. Hier, in den Kernzonen des Biosphärenreservats habe man 2009 die forstliche Bewirtschaftung eingestellt, damit sich der Wald „nahezu“ (nahezu??) ungestört entwickeln kann. In roter Schrift noch die Warnung:
In Kernzonen ist die Gefahr herabfallender Äste und umgestürzter Bäume besonders groß…
… als ich ein gewaltiges Krachen vernahm, wie ich es noch nie gehört hatte! Ich rief spontan nach Thomas. Ja, einem phantasievollen Menschen wie mir kommen bei solch einem mörderischen Getöne die unglaublichesten Bilder! Ich lief in seine Richtung, rief nochmals, während ich mir schon mögliche Rettungsversuche ausmalte. Keine Antwort. Mir klopfte das Herz – im Ernst! Da entdeckte ich ihn. Was war denn das, fragte ich erleichtert. Da ist ein Baum umgestürzt, meinte er, er habe es sogar gesehen, wie er fiel! Och Mensch, da habe ich ja was verpasst. Während ich mich noch mit der Theorie beschäftigte, erlebte Thomas schon die Praxis. Das ist typisch in unserer Beziehung!
Doch was vernahmen da unsere Ohren? Das Brummen eines Motors! He, da war kein Bannwaldbaum auf natürliche Weise umgestürzt! Da wird gefällt, erkannte Thomas. Das gibt es ja echt nicht! Ok, jetzt erst mal was essen und trinken.
Wir befanden uns hier an der Kreuzung ins Schweiftal. Hier legten wir eine kurze Trink- und Vesperpause ein. Und hier begegneten wir den einzigen Mitwanderern heute – 2 Pärchen, die sich angeregt miteinander unterhielten, sich aber trotzdem über ein „Hallo“ freuten. Dann waren sie auch schon verschwunden – in die Richtung, aus der wir kamen.
Folgt man nun immer dem Hasenbach, gelangt man weiter am Schloss Ehrenfels und den Wimsener Wasserfällen vorbei bis zur Wimsener Höhle (gegenüber besagtem Gasthof Friedrichshöhle), wo er in die Zwiefalter Aach mündet. So weit wollten wir heute aber nicht wandern. Wir brachen auf und folgten noch ein Stück dem Hasenbach Richtung Schloss Ehrenfels. Das Tal öffnete sich, und nun entdeckten wir hinter dem Felsen auch optisch, was die ganze Zeit schon unsere Ohren nervte und kurz darauf auch unsere Nasen beleidigen würde:
Wir liefen erst am Meister vorbei, der, mit einer Bierflasche in der Hand, wohl gerade seine Mittagspause genoss, dann an seinem Kampffahrzeug, das währenddessen den Wald gemütlich in Dieselgestank hüllte. Schnell weiter! In der Hoffnung, dass das, was ich da gesehen hatte, wenigstens alkoholfrei war!
Schließlich kamen wir zum Schloss Ehrenfels.
Hier hatte ja vor knapp 1 Jahr meine Geburtstagswanderung geendet. Wenn ich geahnt hätte, wie nahe wir schon am Glastal waren! Leider hatten wir damals alle keinen GPS-Empfang. Heute funktionierte er wunderbar.
Wir kehrten wieder um, liefen, am Meister und seinem Holzfällermonstrum vorbei, im Glastal ein Stück zurück bis zu unserer Vesperstelle und wollten hier ins Schweiftal hoch laufen. Da verfolgte uns plötzlich das Gedröhne und war schon direkt hinter uns! Wir sprangen an die Seite, um die beiden vorbei zu lassen. Es blieb uns ja keine Wahl. Es stank widerlich. Und das im Urwald von morgen!
Der Weg sah entsprechend aus, nachdem sich das schwere Fahrzeug da hoch gearbeit hatte:
Das Wort Zerstörung kam uns in den Sinn. Und es wurde schlimmer, so dass wir froh waren, dass wir das Schweiftal bald verlassen und links weiter hoch Richtung Lämmerstein abzweigen konnten. An einer Bank stillten wir erst noch einmal unseren Durst und lüfteten die Jacken. Nach diesem Anstieg waren wir doch ins Schwitzen gekommen. Gelegenheit für Thomas, die dicke gegen die dünne Mütze zu tauschen. Auch mir wurde meine Mütze zu warm und ich tauschte sie gegen meinen Buff aus Merinowolle. Ich bin schließlich auch nicht schlecht ausgestattet! 😀
Und während wir so unsere Bekleidung den Umständen anpassten, beobachteten wir, wie unser Holz-Kumpel riesige Stämme an seinen Schlepper kettete und den Weg hinauf zog. Ohne Rücksicht auf Wege und Sträucher…
Es ging weiter bergauf. Thomas blieb zurück, um sich weiter zu entlüften, denn ihm war immer noch zu warm. Ich stieß schließlich ohne ihn auf einen Forstweg, der das Digelfeld mit dem Lämmerstein verbindet. Nach rechts ging es am Digelfeld vorbei zurück nach Hayingen, wir wollten jedoch erst nach links zum Lämmerstein. Während ich auf Thomas wartete genoss ich den weiten Blick hinüber zum Digelfeld, an dem wir vorhin vorbei gewandert waren:
Puh, hier pfiff es aber wieder, und bedrohlich graue Wolken verdunkelten plötzlich den Himmel. Ob nun doch schon der Regen kam, der erst für den späteren Nachmittag voraus gesagt war?
Die 2 Pärchen, die wir vorhin im Glastal getroffen hatten, liefen an mir vorbei, auch Richtung Lämmerstein. Ah, wir haben uns doch vorhin schon gesehen, rief eine der Frauen. Wo seid ihr denn lang gelaufen? wollte einer der Männer wissen, und ich erklärte ihnen unsere Runde. Schon waren sie weg…
Dafür kam Thomas den Weg hoch geschnaubt, bemerkte die dicken Wolken und den kalten Wind und zog sich seinen Schal, den er soeben wegen übermäßiger Erhitzung abgestreift hatte, wieder aus seinem Rucksack und über den Kopf. Dann wanderten wir weiter – immer noch leicht bergan zum Lämmerstein. Als wir ankamen, waren die 2 Pärchen gerade dabei, aufzubrechen und nahmen den kleinen Weg hinunter ins Glastal, an dem wir heute Vormittag vorbei gelaufen waren. Wir genossen erst einmal die herrliche Sicht nach unten – und die Sonne, die nun doch wieder heraus kam und uns die Gesichter und die Herzen erwärmte. 🙂
Pffff, mir wurde echt schwindelig, als ich mich – ganz vorsichtig, über die Felsen beugte und hinunter ins Glastal schaute… Das Gipfelkreuz, das wir von unten gesehen hatten, war nun auch unter uns.
Für uns gab es nun wieder Stoff zum Rätseln und Spekulieren: Wie bringt man solch ein Gipfelkreuz auf solch einen hohen spitzen Felsen? Ich suchte nach einem Weg von unserer Position hinüber zu diesem Felsen, konnte aber nun extrem schmale und felsige Grate erkennen. So stellten wir uns vor, wie ein kerniger Kletterer, mit dem Kreuz, einem schweren Bohrer und einem Eimer Beton auf dem Rücken den Felsen von unten erklomm und resümierten, das uns das eher nicht so reizen würde… 😀
Wir nahmen einen anderen Weg zurück, bis wir wieder auf den Forstweg Richtung Digelfeld/Hayingen stießen.
Es war inzwischen Nachmittag, Zeit für eine Tasse Kaffee. Ich versuchte, Thomas für ein leckeres Stück Kuchen im nahen Lagerhaus in Dapfen zu erwärmen, was mich keine großen Anstrengungen kostete. In diesem urigen Café mit seinen wunderbaren Seifen und Schokoladen aus eigener Herstellung sind wir immer wieder gern zu Gast. Erst unlängst hatten wir hier unsere Vorräte an Seife aufgefüllt. So duftet gerade himmlisch eine Wacholderseife aus dem Lagerhaus in meiner Dusche.
Vorerst hielt uns der Wacholder jedoch erst noch in Form seiner Büsche am Wegesrand auf. Diese waren voller blauer Beeren, und wir kamen einfach nicht daran vorbei, ohne uns eine Handvoll abzupflücken. Während mir Thomas erzählte, dass er deswegen schon einmal von Spaziergängern ermahnt worden war, weil diese Büsche teils unter Naturschutz stehen, wanderte die eine und andere Beere schon einmal in unseren Mund, was, wie wir später lasen, auf keinen Fall übertrieben werden sollte. Zu viel der rohen Beeren könnte unverträglich sein. Da kam auch schon eine Spaziergängerin, die uns schmunzelnd fragte, ob wir schon unsere Rucksäcke voll haben. Nein, auf keinen Fall…. viel könne man hier nicht pflücken, denn das pieke ja ganz schrecklich an den Fingern! Sie lachte – ja die sind schon lecker, aber einen Nachteil hat eben alles – und ging weiter…
Mit unserem kleinen Schächtelchen Beeren, die inzwischen hier trocknen, liefen wir zurück zu unserem Auto. Im Lagerhaus Dapfen gab es noch einen leckeren Kuchen – Nuss-Himbeere! – und große Freude über einen super schönen Wandertag, der auf alle Fälle im Frühjahr oder Sommer wiederholt werden muss, dann wenn es in voller Pracht blüht im auf dem Digelfeld und im Glastal.