Von
Schönbuche
An einem verregneten Sonntag wie diesem, und nachdem doch die eine oder andere „Ermahnung“ bei mir ankam, dass es in meinem Wanderblog recht still geworden sei, habe ich Lust, von meinen Herbstwanderungen zu berichten.
Eine führte mich gemeinsam mit meinem älteren Sohn Felix nach Bregenz am Bodensee. Hier wollten wir den 1064 m hohen Pfänder, den Bregenzer Hausberg, ersteigen, von dem aus man eine wunderbare Aussicht auf den Bodensee, auf gleich 3 Länder und einige Alpengipfel genießen kann, und dann einen anderen Weg hinunter laufen. Inspiration war die Wandertour Nr. 21 aus dem KOMPASS Wanderführer 5601 „Bodensee-Obersee“
Bregenz – Pfänder – Bregenz
Das letzte Mal, dass ich mit Felix gewandert bin, ist gut 23 Jahre her, s. Wandern mit süßem Gepäck. Dabei wäre es sicher auch geblieben, hätte ich diese Wanderung nicht als „Besteigung eines Berges mit genialer Aussicht und anschließendem Essengehen“ deklariert, denn dafür ist mein Felix immer gern zu haben.
Wir trafen gegen Mittag in Bregenz ein und mussten lange erfolglos nach einer freien Parkmöglichkeit beim Pfänderberg suchen, die wir dann endlich im nahe gelegenen Parkhaus am Hafen fanden. Das Wetter war einmal wieder genial – sonnig, leicht diesig, angenehme herbstliche Temperaturen.
Wir liefen zur Pfänderbahn hoch, um uns auf einer Tafel über die Wanderwege zum Gipfel zu informieren und starteten den Aufstieg in einer Seitenstraße, rot-weiß markiert. Leider wurde mir der sehr steile Weg jedoch schon nach wenigen 100 Metern zu anstrengend, so dass wir umkehren mussten und Karten für die Seilbahn kauften. In 6 Minuten überwanden wir schwebenderweise die ca. 650 Meter bis zum Gipfel und hatten schon einmal eine gute Sicht auf Bregenz und den Bodensee, alles in einen zarten Nebel gehüllt.
Oben angekommen, spazierten wir längere Zeit umher, schauten uns in aller Gemütlichkeit um, liefen noch ein paar Meter zur Pfänderspitze hoch und bewunderten die herrlichen Aussichten in alle Richtungen – zum einen auf die Schweizer Alpen…
… und von einer weiteren Plattform aus auf Bregenz und den Bodensee, der sich jedoch nach wie vor in mehr und weniger dichten Nebel hüllte. Hier und da schimmerten zarte Umrisse der Stadt einschließlich der Bregenzer Seebühne hindurch. Es herrschte reges Treiben auf dem Pfänderberg – logisch bei diesem Wetter.
Nun war es an der Zeit, auf Nahrungssuche zu gehen, Hunger meldete sich mit Nachdruck. Im Internet-Auftritt der Pfänderdohle hatte ich heraus gefunden, dass es hier Kaiserschmarrn geben soll, ein verlockendes Angebot. Wir liefen also zur Pfänderdohle, welche gut besucht war, und ergatterten noch 2 Plätze. Leider war der Kaiserschmarrn bereits ausverkauft… Wir wurden dennoch satt, tranken noch einen Kaffee, und dann war es auch schon an der Zeit, den Abstieg anzutreten.
Wir wollten den steilen Gschliefweg nehmen, der sich laut Beschreibung im KOMPASS-Wanderbuch sowohl steil, als auch romantisch durch den Pfänder-Wald winden soll. Ein Schild nahe der Pfänderdohle wies darauf hin, dass dieser Weg gutes Schuhwerk voraussetze und für Kinderwagen nicht geeignet sei. Ok, mit Erstem waren wir gut ausgerüstet, und auf das Zweite hatten wir bereits auf früheren Wanderungen in Felix‘ Kleinkinderjahren verzichtet. Wir liefen also frohgemut bergab…
… fanden auch nochmals ein Schild, welches Richtung Gschliefweg zeigte… und irgendwann uns selbst mitten im Wald auf stark abschüssigem Gelände wieder. Ein Wanderpfad war leider nicht mehr zu erkennen. Auch kein Schild mehr. Höchstens mal eine Ahnung oder Vermutung davon durch Interpretation der jeweiligen Abstände zwischen den Bäumen.
Überall dicht Herbstlaub am Boden. Egal, wir mussten ja eh bergab, also immer schön nach unten konnte nicht verkehrt sein. Und das ging es wirklich sehr sehr steil, so dass ich mindestens 2-mal auf meinem Popo landete und froh über meine Wanderstöcke war, während Felix mit sehr viel schlechterem Wanderschuhprofil leichtfüßig vor mir nach unten hüpfte und mir immer wieder erklärte, wie lästig ihm solche Stöcke in der Hand wären. Dankeschön, mein Sohn… 🙂
Das Gelände wurde immer steiler und zerklüfteter…
Ich schaute immer mal besorgt auf die Uhr – kurz nach 17 Uhr würde es dunkel werden. Wir sollten also in spätestens 1 Stunde unten angekommen sein. Immer wieder mussten wir jedoch stehen bleiben, um einen Weg durch das unwirtliche Gelände zu suchen.
Da erkannten wir sehr weit unter uns 2 junge Männer, beim Aufstieg. Kurz danach kamen sie auch schon bei uns an, mit verschwitzten und ziemlich erschöpften Gesichtern. Ok, also mussten wir ja noch auf dem richtigen Weg sein, schlussfolgerten wir. Die Männer bestätigten uns, was wir bereits wussten – dass ein Wanderpfad nicht wirklich zu erkennen sei. Dass war nicht wirklich beruhigend.
Wir kletterten über ein Bächlein und noch ein Stück bergab, ich teils auf allen Vieren. Dann kamen wir an einen Punkt, an dem es wirklich nicht weiter ging. Tiefe Kluften vor uns und rechts von uns ebenso.
Hinter uns der steile Hang, den wir hinunter gekommen bzw. gerutscht waren. Rechts von uns in ein paar Metern Entfernung eine mehr als 2 Meter hohe Felswand. Auf dieser entdeckte ich eine Joggerin, ein junges Mädchen, das unschlüssig wie wir um sich schaute. Ich rief ihr die Frage zu, ob es bei ihr einen Weg nach unten gäbe. Sie antwortete, dass sie den auch suche. Sie sei gerade einen festen Weg herunter gekommen, der nun direkt vor ihr endete an einem fast senkrecht abfallenden Hang. Sie werde nun umkehren, ein ganzes Stück zurück laufen, um die Runde nach unten in anderer Richtung zu nehmen.
Ich ahnte, was Felix nun vorschlagen würde: Wir müssen die übermannshohe Mauer hochklettern, um ebenso auf diesen Weg zu gelangen. Ich hatte keine Ahnung, wie… Ich startete sinnloserweise noch eine verzweifelte Verweigerung: „Das schaffe ich nicht da hoch!“, aber mein Sohn blieb cool: „Na klar schaffst du das.“ Was blieb mir auch übrig?
An der ca. 2,30 m hohen Felswand lehnten schräg nach Zufallsprinzip zwei abgebrochene rutschige Baumstämme, die Felix gelassen ansteuerte, und ehe ich mich versah, hatte er sie auch schon überwunden und stand oben! Ok, jetzt nicht nachdenken, die schlackernden Knie ignorieren und hinterher. Erst der eine Stamm, dann auf den anderen, Felix‘ Hand greifen, die mich kräftig nach oben zog. Na geht doch!!
Nun hatten wir also wieder einen festen Wanderweg unter den Füßen, was uns enorm erleichterte. Es dämmerte nämlich schon ein wenig. Ein kurzes Stück ging es noch einmal bergan, dann fanden wir Schilder Richtung Bregenz bzw. Talstation.
Als wir unten in der romantischen Bregenzer Altstadt ankamen, war es bereits dunkel. Nun hatten wir uns aber ein leckeres Abendessen verdient. Wir suchten uns ein gemütliches italienisches Restaurant, schlemmten mit großem Vergnügen, wurden liebevoll bedient und freuten uns über den abenteuerlichen und gelungenen Abstieg. Unsere Muskeln und Knochen kündigten schon einmal an, sich in den nächsten Tagen noch ein wenig zu beschweren ob der unangekündigten Belastungen. Ich hatte eine größere Schürfwunde am Oberschenkel und mehrere blaue Flecken, war müde und zufrieden und einmal wieder besonders froh, dass mein Sohn längst einen Führerschein besaß und gern das Steuer nach Hause übernahm. Am nächsten Tag war es jedoch nur er, der über Muskelkater klagte – ich hatte keinen! 🙂
Quelle: KOMPASS Wanderführer 5601 „Bodensee-Obersee“, Konstanz, Lindau, Tour Nr. 21
Länge: 4,5 km, ca. 650 Höhenmeter