18. Mai 2014 · 6 Kommentare · Kategorien: Bücher
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In letzter Zeit habe ich mehr gelesen, als ich gewandert bin… wie an meinem Blog wohl gut zu erkennen ist. Leider bin ich aber manchmal etwas lustlos, wenn es darum geht, etwas über ein Buch zu schreiben. Dieses möchte ich dennoch unbedingt hier erwähnen und wärmstens empfehlen:

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

 

Ein Buch, das mich gefesselt, berührt, bewegt hat…

Harold, ein ehemaliger Handelsvertreter im Ruhestand, lebt in Devon/Südengland und in schon seit Jahren lieb- und achtloser Gemeinschaft mit seiner Frau so vor sich hin – ohne jede Freude und ohne jeden Sinn. Eines Tages erhält er einen Brief von seiner früheren Arbeitskollegin und Freundin Queenie mit der Nachricht, dass sie in Nordengland in einem Hospiz im Sterben läge. Mit einer unbeholfenen knappen Antwort, die er eigentlich in den nächsten Postkasten werfen wollte, startet er spontan die Reise in den Norden – zu Fuß.

 

 

 

Mehrere Wochen ist Harold nun unterwegs, von der Südküste Englands bis an die nördliche schottische Grenze. Doch natürlich wird es nicht einfach nur ein Fußmarsch. Für Harold beginnt eine Reise in seine Vergangenheit, Erinnerungen kommen hoch, die er jahrzehntelang unterdrückt und verdrängt hat aus Angst vor dem großen Schmerz, die ihn emotional beuteln und mehr als einmal an den Rand seiner Kräfte bringen. Viele Erinnerungen an den Beginn seiner Liebe zu seiner Frau, die tragische Geschichte ihres gemeinsamen Sohnes, dem er seine Liebe nie zeigen konnte, und somit die Geschichte seiner Eltern einschließlich den Verlust seiner Mutter – er kann es endlich nach und nach sortieren, verstehen und Frieden schließen. Unterwegs trifft er Menschen, die ihn immer wieder auffangen, denen er sich anvertrauen kann, die ihn versorgen und ihm Kraft für seine weitere Reise geben.

Interessant fand ich auch, was sein spontanes Gehen mit seiner Frau macht. Seit Jahren behandelt sie ihren Mann nicht mehr als ihren Partner, seit Jahren ist er Ventil ihres Lebenskummers und -frustes und ihres Unvermögens, sich aus ihrem eigenen Gefängnis zu befreien. Sie hat ihre geliebten Hobbys aufgegeben und schottet sich vom Leben und der Welt ab, überträgt ihre Verantwortung dafür auf ihren Mann und entwertet ihn, wo sie nur kann. Und seit Jahren reden die beiden nicht mehr wirklich miteinander und leben in getrennten Räumen ihres Hauses. Nachdem ihr Mann sich plötzlich selbständig gemacht und los gelaufen ist, bricht auch in ihr alles auf. Sie erkennt ihre Fehler, ihre Sehnsüchte, wie sehr sie ihrem Mann Unrecht getan hat und wie sehr er ihr fehlt. Auch sie geht los – sinngemäß – und startet die ersten Veränderungen während Harolds Abwesenheit, sie kümmert sich endlich wieder um ihren geliebten Garten und zieht zurück ins gemeinsame Schlafzimmer. Mit Harolds Ausbruch finden letzten Endes auch die beiden wieder zueinander und zu einem neuen gemeinsamen Leben.

Die Autorin hat aus Harolds Pilgerreise eine unglaublich spannende Lebens- und Familiengeschichte gemacht. Nur nach und nach, so wie Harolds Erinnerungen kommen, gibt sie Bruchteile aus dem Leben dieser Familie über 3 Generationen preis, und erst ziemlich am Ende des Buches erzählt sie durch Harolds Erinnerungen die Ereignisse, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass alles so gekommen ist, wie es war, als Harold aus- und aufbrach. Als Leserin konnte ich mich jederzeit gut in alle Beteiligte einfühlen und denke, dass Rachel Joyce Geschichten erzählt hat, die so oder ähnlich in vielen Familien geschehen.

Das Buch ist natürlich kein Reisebericht. Dennoch war es für mich schön, gerade auf den ersten Seiten viele Orts- und Landschaftsnamen gelesen zu haben, die mich an meinen Aufenthalt in Devon vor einigen Jahren erinnern. Sie weckten in mir einmal mehr den Wunsch, in England zu wandern.

Ein wunderbares Buch, das trotz aller Dramatik wärmt und aufbaut und das ich inzwischen weiter verliehen habe, denn ich kann es, wie gesagt, nur weiter empfehlen.

Rachel Joyce: Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry, Fischer Taschenbuch, ISBN-13: 978-3596195367

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6 Kommentare

  1. Hallo liebe Katrin,
    ich hatte dieses Buch im vergangenen Jahr gelesen. Nachdem ich die ersten Zeilen gelesen hatte, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
    Harold wollte nur den Brief einstecken … und ist mehr als 1.000 Kilomter gelaufen.
    Die vielen Begegnungen, die Herold hatte, haben mich berührt und manchmal auch nachdenklich gestimmt, Auf jeden Fall ist ein Buch, das spannend geschrieben ist.

    Viele liebe Grüße
    von Frieder

    • Schönbuche

      Lieber Frieder,
      schön dass du das Buch auch kennst, ich wollte dir eigentlich schon eher davon erzählen… 😀
      Mir ging es wie dir, und ich habe jede freie Minute gelesen. So muss es sein!
      Dir viele liebe sonnige Grüße
      von Katrin

  2. Hallo liebe Katrin,
    von der gleichen Autorin ist im vergangenen Jahr der Roman „Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte“ erschienen. Was ich bisher darüber gelesen habe, verspricht, dass dieses Buch ebenso spannend geschrieben ist, wie jenes über Harold Fry.

    Viele liebe Grüße
    von Frieder

    • Schönbuche

      Hallo Frieder,
      stimmt, das Buch hatte ich in der Buchhandlung auch schon in der Hand. Ich werde es sicher auch noch lesen. Falls du es liest, dann berichte doch mal.
      Viele liebe Grüße zurück
      von Katrin

  3. Berührend liebe Katrin, schon allein die Art wie du dieses Buch beschreibst,
    Momentan ist lesen nicht so meins, aber irgendwann fällt es vielleicht von selbst in meine Hände, wie das oft so ist 🙂

    Einen ganz lieben Gruß
    Elke

    • Schönbuche

      Schön, mal wieder ein paar Zeilen von dir, liebe Elke. 😀
      Ich bin momentan eine wahre Leseratte, hole wohl ein wenig nach. Bei mir klappt dafür das Wandern gerade nicht so gut wie bei dir aufgrund von Infekten, und unser Umzug steht kurz bevor. Ich schau trotzdem immer mal bei dir rein, denke an dich und wünsche dir weiter einen super schönen Wandersommer!
      Viele liebe Grüße zurück an dich
      von Katrin

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