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Mein letzter Tag im Vogtland war ein Freitag. Freitag ist dem Rhythmus meiner Medikation und deren Nebenwirkungen entsprechend leider überhaupt nicht mein Tag. Ans Wandern war heute nicht zu denken. Ich musste mir wie jede Woche einen ganz ruhigen Tag auferlegen, und so fuhr ich ein paar Kilometer nach Oelsnitz. Dort soll es einen schönen Marktplatz und ein nettes Schloss, das Schloss auf dem Voigtsberg geben. Das konnte ich ja mal versuchen.

Ich fand auch sofort einen Parkplatz und lief zum Markt. Das Rathaus war hübsch restauriert, doch leider hatte ich den Markttag erwischt. Buden und Fahrzeuge verdeckten die schöne historische Kulisse. Egal, ich trödelte vor mich hin und suchte mir erst einmal ein Café am Marktplatz, um ein zweites Frühstück und einen großen Kaffee zu genießen und die Menschen zu beobachten. Die Bäckersfrauen waren einmal wieder sehr lieb und fürsorglich, ich fühlte mich wohl. Doch, wie auch schon in anderen Ortschaften, erspürte ich wieder eine etwas trostlose Stimmung bei den Menschen. Ja, irgendwie immer noch ein wenig DDR-Stimmung, gepaart mit der Aussichtslosigkeit vieler Menschen im Osten nach der Wende… Was die Menschen wohl bewog, hier zu bleiben… Ich selbst hatte Ostdeutschland vor 15 Jahren verlassen – die beste Entscheidung meines Lebens.

Das Frühstück war verspeist. Ich trat in die Bäckerei, um das Angebot an Kuchen zu begutachten. Hier konnte ich mich von einer viel erfreulicheren Seite des Lebens in Sachsen überzeugen. Die Sächsische Bäckerei und Kaffeekultur haben eine lange Tradition – und überhaupt gab es in der DDR echt leckere Kuchensorten. Die ich hier tatsächlich wiederfand – Eierschecke, Schneewitchenkuchen, Butterkuchen, Prasselkuchen, russischer Zupfkuchen – die verschiedensten Sorten Blechkuchen, eine leckerer als die andere. Und natürlich der Vogtländische Kartoffelkuchen – der Erdäpelkung! Den kannte ich nicht und musste ich doch nun endlich, am letzten Tag noch probieren. Ich bestellte noch eine Tasse Kaffee und ein Stück Kartoffelkuchen – und staunte Bauklötzer, als die nette Bäckersfrau zwei riesige Stücken auf den Teller packte. Ich habe doch nur ein Stück bestellt, scherzte ich, und die Frau lachte: Ja das schaffe ich schon. Na klar, schließlich ist mein Vater ein Leipziger und ich somit zur Hälfte eine Sächsin. Endlich ging mir ein Licht auf, wieso mein Papa und ich derartige Süßschnäbel sind.   😀

Der Kartoffelkuchen war herzallerliebst, oder besser gesagt: Er war hammer lecker!! … und verlangte eindeutig nach mehr. Aber, leider leider – mein Bauch konnte nicht mehr. Ich erkundigte mich nach dem Fußweg zum Voigtsberg und lief los.

Den Weg dorthin hätte ich mir sparen können, aber das Schloss Voigtsberg ist wirklich sehenswert.

Ich lief Treppen hoch und hinunter, schaute mir die verschiedenen Räume an, eine Mineralien-Ausstellung an und eine Ausstellung von Simone Rethel, die sehr interessante Gemälde präsentierte und wunderschöne Fotos von ihrem verstorbenen Mann Johannes Heesters.

Auf einer Außen-Plattform hat man eine schöne Aussicht auf Oelsnitz.

Etwas müde setzte ich mich auf eine der Bänke im Innenhof, neben einem Brunnen.

Doch ich blieb nicht lang allein. Eine Amsel wollte mir offensichtlich Gesellschaft leisten und setze sich doch glatt auf meinen Schoß!

Als sie jedoch an meinem Schal hinauf klettern wollte, wehrte ich sie sanft ab, was sie wohl ziemlich verärgerte. Entschlossen kam sie wieder auf mich zugeflogen, um sich auf meinen Kopf zu setzen. Na das geht ja gar nicht. Verwundert schaute sie mich an, warum ich so zimperlich sei.

Nun wollte sie aus dem Brunnen trinken, stellte sich jedoch so blöd an, dass sie 2-mal ins Becken plumpste und sich verärgert das Wasser aus dem Gefieder schüttelte.    😀

Ein drolliges Vögelchen.

Ich spazierte um das Schloss herum, um es mir von allen Seiten zu betrachten. An einer Stelle entdeckte ich am Gemäuer stabile Halterungen aus Granit, welche eine nicht gerade salonfähige Bezeichnung tragen, wie ich vorhin  auf einer Tafel im Innenbereich gelesen hatte:

Dies waren die so genannten „Scheißnasen“. Nein, mein Blog sinkt jetzt nicht ab auf ein gewöhnliches Niveau! Die Dinger heißen wirklich so, da es früher ihre Funktion gewesen war, das außen angebrachte Toilettenhäuschen zu tragen.

Ich musste unwillkürlich an meine lieben Kollegen im Büro und deren Lieblingswort denken, wenn sie sich über etwas ärgerten. Dies kam so häufig vor, dass ich unser Projektteam schon einmal in „Fäkal-Team“ umbenennen wollte, womit sie aber leider nicht einverstanden waren.   😀

Nun ich habe nach meinem Urlaub wenigstens dieses Foto herum gezeigt. Zur allgemeinen Freude und Erheiterung.

Mein Freund, das Amselchen, hatte mich verfolgt. Nun erkannte ich jedoch, warum. Es hatte von mir natürlich das erhofft, was es jetzt auf der Schlossbrüstung fand: Ein paar feine Krümelchen.

Im Nu waren die Leckerbissen aufgepickt. Muss sehr lecker gewesen sein! Wahrscheinlich Kartoffelkuchen. Schließlich war dies eine echte Vogtländer Amsel!   😉

Ich selbst ließ mir, als ich am nächsten Tag abreiste, bei einem Bäcker in Bad Elster 4 große Stücken Kartoffelkuchen einpacken.  🙂

Hier ist das Rezept für den Vogtändischen Kartoffelkuchen bzw. Erdäpelkung:

Für 1 Blech: 250 g Mehl, 50 g Margarine, 50 g Zucker, 1 Ei, 15 g Hefe, 1/8 l Milch, abgeriebene Zitronenschale, 1 Prise Salz, 500 g gekochte Kartoffeln, 50 g Rosinen, 50 g Butter, 100 g Zucker, Zimt.

Einen Hefeteig herstellen, diesem werden die kalten, geriebenen gekochten Kartoffeln und die Rosinen beigemengt. Dann lässt man den Teig nochmals gehen. Danach rollt man ihn auf und legt ihn auf das gefettete Blech, bestreicht ihn mit Butter, bestreut ihn mit Zucker und Zimt und bäckt ihn bei mittlerer Hitze etwa 30 min.

Ganz frisch und noch warm schmeckt er am besten.

Quelle: www.vogtlandkreis.de


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3 Kommentare

  1. Hallo liebe Schönbuche,

    herrlich, wie du das alles beschreibst, Einfach großartig.
    In mir regt sich der Wunsch, sobald als möglich noch mal im Vogtland zu wandern.

    Ganz liebe Grüße von
    Frieder

  2. Deine Berichte sind wirklich toll zu lesen, es macht mir viel Spaß. Deine Vogtländische Amsel ist in Wirklichkeit eine junge Dohle. Der Vogel ist vielleicht sogar von Menschenhand aufgezogen worden. Ich habe als Kind häufiger aus dem Nest gefallene Dohlen aufgepäppelt. Die wurden so zahm, daß sie mich sogar auf dem Schulweg begleitet haben.

    LG Alfons

  3. Schönbuche

    Vielen Dank für das Lob, und vielen Dank, lieber Alfons für die Korrektur. Ich bin eben ein Großstadtkind, für mich sehen sie sich ziemlich ähnlich. Auf alle Fälle war es ein putziges Kerlchen. 😀

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