Auch in diesem Artikel werde ich wohl wieder reichlich ins Schwärmen geraten. Ich sitze schnupfend und hustend auf dem Sofa, der Blick aus dem Fenster ist… grau. Unten im Garten lärmen seit 4 Stunden Heckenschere und Laubbläser (jo, auf schwäbischen Straßen herrscht Sauberkeit!).
Und ich erinnere mich wieder an unseren Urlaub im Nationalpark Müritz. An diese Stille, an eine unvergleich schöne, ursprüngliche und sich erholende Natur, das uns ständig begleitende Schreien der Kraniche, das Klopfen der Spechte und Röhren der Hirsche… Achja, es tat so gut, mal nicht auf Industrieanlagen, Geschäftsgebäude, qualmende Schornsteine oder Baustellen zu blicken und nicht ständig irgendwelchen Durchgangsverkehr im Ohr zu haben. Was kann ich jetzt gegen meine Sehnsucht und Schwärmerei tun? Nichts! Außer schreiben und mich freuen über wunderbare Erinnerungen.
Wie z.B. an den Kranich… den „Vogel des Glücks“. 🙂
Jedes Jahr im Herbst sammeln sich 1000-e Kraniche im Nationalpark für ihren Weiterflug in den Süden. Dies war u.a. ein Grund, warum ich gerade diese Wochen für unseren Urlaub ausgesucht hatte. In dieser Zeit kann man auch tagsüber unterwegs viele kleine und große Gruppen von Kranichen beobachten. Sie bevölkern gern abgeernte Mais- und Getreidefelder, um liegen gebliebende Körner aufzupicken. Mehrmals am Tag hört man über sich das mehrstimmige Trompeten dieser schönen Vögel. Das klingt dann so, nur zig-fach verstärkt:
(Im Firefox läuft es leider nicht, bitte verwende einen anderen Browser)
In manchen Orten bricht das Geschrei stundenlang nicht ab, wie z.B. in Kargow, das umgeben ist von Stoppelfeldern – idealen Futterplätzen. Hier war es richtig laut. An ein Mittagsschläfchen ist da wahrscheinlich nicht zu denken. In Laufe der Tage kamen zu den Kranichfamilien der Müritzer Brutpaare 1000-e Kraniche aus Skandinavien hinzu, die hier Zwischenstation machten.
Abends versammeln sie sich für die Nachtruhe auf weiten abgelegenen feuchten Wiesen oder in flachen Gewässern, wo sie genügend Schutz vor Feinden haben, wie am Rederangsee. Von Ende August bis Ende Oktober sind ab 16 Uhr die Wanderwege rund um diese Schlaf-Sammelplätze gesperrt bzw. dürfen nur noch in kleinen Gruppen unter Führung eines Nationalparkrangers betreten werden.
Jeden Abend findet solch eine geführte Wanderung zu den Wiesen oder zum Ufer des Rederangsees statt. Bereits 2 Monate vor unserem Urlaub hatte ich die Tickets dafür bestellt (Kranichticket), und wir freuten uns besonders auf dieses Highlight. Umso größer war unsere Enttäuschung, als man uns in der Nationalparkinformation sagte, dass die Kraniche verschwunden seien! Am Wochenende hatten sich Urlauber im (verbotenen) Kerngebiet verlaufen und einen Notruf abgesetzt. Es kam zu einem Polizeieinsatz mit Blaulicht, und die sensiblen scheuen Vögel hatten sich prompt entfernt, um sich irgendwo einen ruhigeren Platz zu suchen. Wir könnten es gern in der nächsten Woche nochmals versuchen. Man hoffe, dass die Tiere zurückkehren!
Nun hieß es Daumen drücken. Und ja, es klappte! Als wir zu Beginn der 2. Woche erneut in der Information nachfragten, bekamen wir die erfreuliche Auskunft, dass am Abend vorher ca. 3000 Kraniche am Rederangsee zu sehen gewesen seien. Wir durften uns mit unserem bereits bezahlten Ticket für einen neuen Termin anmelden.
Mitte der 2. Woche war es dann soweit. Treffpunkt war um 17 Uhr an der Nationalparkinformation Federow (man kann selbst anreisen oder den Bus ab Waren nehmen, dies ist im Preis enthalten). Ca. 40 Besucher wurden in 2 Gruppen eingeteilt und diese von je einem Ranger übernommen. Zunächst wurde uns einiges Wissenswertes über den Kranich und sein Leben im Nationalpark erzählt. Dem schönen Tier ging es in den vergangenen Jahrzehnten immer besser, was zu einer erfreulichen Erhöhung der Zahl der Brutpaare führte (in ganz Deutschland bereits wieder um die 7000). Die wichtigsten Maßnahmen waren und sind dabei die Wiederherstellung der Moore und Feuchtgebiete, in denen die Kranicheltern ungestört brüten und ihren Nachwuchs aufziehen können. Der Kranich-Nachwuchs ernährt sich zunächst von Würmern und anderem Kleingetier vom Feld, was sie natürlich nur giftfrei genießen können. Entscheidend ist von daher außerdem der Verbot von Pflanzenschutzmitteln.
Nun bekamen wir die Verhaltensregeln erklärt. Regel Nr. 1 war natürlich: Uns auf dem Beobachtungsstand still, absolut still zu verhalten. Auf dem Platz sitzen bleiben. Uns nicht über die Brüstung hinaus zu beugen, um besser sehen zu können. Und unter Androhung eines prompten Verweises von der Beobachtungsplattform verbot der Ranger es uns, mit Blitzlicht zu fotografieren!
Da ich bereits einiges über den Kranich gelesen hatte, wusste ich, wie berechtigt diese Regeln waren Ein Kranich bekommt alles mit, jede Veränderung, jede Bewegung. Alles, was er nicht kennt, veranlasst ihn zur Flucht.
Dann starteten wir gemeinsam die kleine Wanderung zum Rederangsee. Unterwegs hielt unser Ranger immer wieder, um uns auf etwas Interessantes aufmerksam zu machen, wie einen Adlerhorst oder die Entwicklung des Baumbestandes im Wald. Kurz nach 18 Uhr kamen wir am Beobachtungsstand Rederangsee an, die andere Gruppe traf kurz nach uns ein. Ab nun wurde nur noch geflüstert.
Am gegenüberliegenden Ufer saßen bereits einige Kraniche, und ihr Trompeten schallte zu uns hinüber. Es war ein herrlich milder Abend, der Himmel war klar und zeigte kurz darauf über dem See ein erstes zartes Abendrot, das später in ein traumhaft leuchtendes Orange bis Violett überging und sich im See spiegelte.
Hier und da kamen weitere Gruppen von Kranichen angeflogen, nahmen bei den anderen Platz und wurden mit einem vielstimmigen „Krah-Krah-Krah“ begrüßt.
Da ging ein Raunen durch unsere Bankreihe. Am Ufer hinter den Kranichen waren Rothirsche aus dem Wald getreten. Thomas gab mir das Fernglas – und tatsächlich! Ein Rothirsch und mehrere Hirschkühe waren zu sehen. Später meinte ich einen weiteren Hirsch in der Gruppe zu sehen. Ein tolles Bild war das: Die Kraniche, die Hirsche, dahinter dieses gigantische Abendrot!
Und direkt vorm Beobachtungshäuschen flatterte immer wieder eine Fledermaus hin und her.
Nun ging es richtig los in der Luft. Immer mehr Kraniche kamen angeflogen – aus allen Richtungen steuerten sie diesen Platz an. Es wurden immer mehr, wir saßen nur noch da und starrten nach oben, in wechelnde Richtungen. Innerhalb einer halben Stunde breitete sich vor uns ein großer Kranichteppich aus. Es müssen Tausende gewesen sein. Ein wirklich beeindruckendes Schauspiel!
Allmählich wurde es jedoch zu dunkel. Kurz nach 19 Uhr gab der Ranger das Signal zum Aufbruch. Total bewegt, aber immer noch so leise wie möglich verließen wir die Plattform. Auf dem Rückweg begleitete uns noch lange das Geschrei der Kraniche. Die Hirsche waren in der Abenddämmerung nicht weniger aktiv geworden – ihr dringliches Brüllen und Röhren hallte zu uns hinüber. Es war so gut wie dunkel, als wir in Federow ankamen, aber wir waren hellwach. Irgendwie hatten alle ein Grinsen oder Lächeln im Gesicht. Der „Vogel des Glücks“ hatte uns wohl etwas abgegeben. Es war in jedem Fall ein unvergessliches Erlebnis!
Fotos Kraniche: Thomas Schmidt
Kranichticket: 8,50 Eur, erhältlich über den Nationalpark-Service und vor Ort in den Nationalpark-Informationen Schwarzenhof und Federow
Schöne Bücher:
Hallo Katrin,
das war ein wunderbares Ereignis, was ihr mit den Kranichen erlebt hat. Ihr werdet euch noch lange daran erinnern. Es hilft, auch an grauen, lauten Tagen euch ein Lächeln auf’s Gesicht zu zaubern.
Die Bilder von Thomas sind klasse. Ich kann mir vorstellen, wie die wirken, wenn sie den gesamten Bildschirm ausfüllen. Ganz toll gemacht!
Viele liebe Grüße
von Frieder
Lieber Frieder,
dankeschön für das Lob, ich habe es weiter gegeben. 🙂
Ja stimmt, die schönen Erinnerungen tun auch im Nachhinein noch gut. Jetzt beginnt ja der November, die „graue“ Jahreszeit. Aber eigentlich mag ich das ja – Nebel, die kahlen Bäume, es wird alles stiller und langsamer. Es kommt jetzt garantiert keine Hitze mehr! Die Rasenmäher und Laubbläser dürfen in Winterruhe. Ist doch ein Grund zur Freude! 😀
Ich wünsche euch ein ganz schönes Wochenende, liebe Grüße an euch!
Katrin
Pingback: Ein Abend bei den Kranichen am Rederangsee « Faszination Kraniche