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Gegen Ende unserer Urlaubswoche im Spreewald hatte auch Thomas Lust auf eine Paddeltour. Waren wir doch nun bereits an den zahlreichen Wasserläufen hier entlang gewandert und geradelt und hatten immer wieder von oben die leichten Kunststoffboote beobachtet, die gemütlich durch die trägen Fließe zogen. Ich hatte darauf auch Lust!

Thomas hatte mehrere Jahre hier im Spreewald gelebt und selbst zwei Kanus besessen, und ich war früher mehrere Jahre lang Mitglied im Ruderverein und hatte regelmäßig auf dem Neckar meine Trainingsrunden absolviert, ich war auf der Donau und auf dem Regen gepaddelt. Wir hatten also beide Wasser-Erfahrungen, wenn auch weit zurück liegende. Es war an der Zeit, diese Erlebnisse aufzufrischen! Auf einer kurzen Nachmittagswanderung bei Lübbenau entdeckten wir den Bootsverleih Hannemann und statteten ihm sogleich einen Besuch ab. Morgen war der Oktober-Feiertag und zudem der Start in ein verlängertes und sonnenreiches Wochenende. Herr Hannemann erwartete einigen Ansturm, deswegen schlugen wir sogleich zu und mieteten ein Doppelsitzer – Kajak für den kommenden Morgen.

Beinahe pünktlich trafen wir am nächsten Morgen im Bootsverleih ein, zahlten 24 Eur, nahmen eine eingeschweißte Karte mit eingezeichneten Routen und einige freundliche Tipps in Empfang. Noch einmal auf Toilette – den dies könnte in den nächsten Stunden wohl auf dem Wasser ein Problem sein – und Thomas stieg mutig und gelassen, wie eben ein Mann sein muss, ins Boot.

Start unserer Paddeltour

Ich machte ein Foto und stieg auf den Vordersitz. Dann paddelten wir los.

Schnell bemerkten wir: Während vorgestern, auf der Radtour unsere Beine und Hinterteile strapaziert wurden, waren heute die Arme gefragt. Außerdem etwas, das weniger körperlich ist: Unser Vermögen als Paar, etwas miteinander im Gleichklang zu tun und uns dabei aufeinander einzulassen, Kontrolle abzugeben und dem anderen zu vertrauen. Um es vorweg zu nehmen: Es dauerte einige Zeit, ehe wir uns geeinigt hatten, wer steuern und wer den Schlag angeben soll. Doch gegen Ende unserer Tagestour (so etwa eine halbe Stunde, bevor wir das Kanu wieder abgeben mussten) waren wir ein eingespieltes Team!   😀

Wir hatten uns ungefähr überlegt, wo wir paddeln wollten. U.a. wollten wir gern das Spreewalddorf Lehde vom Wasser aus erkunden und ebenso das Stück zwischen Lehde und Leipe. Beides hatte uns sowohl als Fußgänger, als auch als Radfahrer wirklich begeistert. Es kam dann doch etwas anders. Denn schnell war abzusehen, dass wir – wie erwartet – bei weitem nicht allein auf dem Wasser unterwegs sein würden. Schon gar nicht bei und in Lehde, und auch durch Leipe sind wir nicht gepaddelt, was schade war und hoffentlich irgendwann nachgeholt wird.

Start auf dem Bürgerfließ

Wir paddelten also erst einmal den anderen nach – den Bürgerfließ hinaus, bogen rechts ab in das Lehder Fließ, Richtung Lehde (wie der Name schon sagt) und standen vor der ersten Schleuse. Zwei Kanus warteten bereits am Rand, aber, wie zu hören war, haben hier die Stocherkähne stets den Vorrang, wenn es um Einlass in die Schleuse geht.

Stocherkahn hat Vorfahrt

So bildete sich recht schnell eine Traube an Kanus hinter uns, was von den hinaus fahrenden Stocherkahnfahrern durchaus ironisch-abschätzig kommentiert wurde. Angeblich seien wir Paddler an der Zerstörung der Wasserwelt mit beteiligt… falls wir nicht vorher untergehen… was von den Stocherkahngästen mit einem beifälligen Lachen quittiert wurde… und was nicht wundert, wenn man die Zahl der Likörfläschchen auf deren Tischen entdeckt hatte. Schnell war klar – hier geht es um Machtkämpfe, die Paddler sind eine Konkurrenz für die Stocherkahnbetreiber!

Irgendwann jedenfalls wurde es uns zu dumm, und als sich das Schleusentor das nächste Mal öffnete, fuhren wir allesamt einfach hinein. Gemütlich wurden wir eine Etage hinab gelassen, legten etwas Kleingeld ins Körbchen für den Schleuser und paddelten hinaus.

Natürlich hatten wir wenig Lust, weiter in diesem Pulk mit zu paddeln, der Richtung Lehde strömte.

Massenpaddeln

Wir ließen alle an uns vorbei plätschern und entschieden uns für eine andere Runde – an Lehde vorbei. Wir verließen das Lehder Fließ und bogen rechts ab Richtung Spree, um Lehde südlich zu umfahren. Bald hatten wir die Stille, auf die wir uns gefreut hatten. Traumhaft. Stilles Wasser um uns herum, unter uns gurgelten leise Wellen und Blasen gegen das Boot, Gräser, Sträucher, Baumstämme zogen an uns vorbei. So, und nicht anders hatten wir uns das vorgestellt! Wir paddelten auf der Hauptspree zwischen Lehde und Leipe und ließen uns unendlich Zeit.

Die meiste Zeit war es still. Ab und zu paddelte jemand an uns vorbei, auch kleine Gruppen waren unterwegs. Gut zu erkennen war, wer Paddelerfahrung besitzt und wer dies als eher seltenes Urlaubsvergnügen betreibt, so wie wir. Ich bewunderte Paare, die ihre Paddel im totalen Gleichklang ins Wasser tauchten und aus diesem wieder hinaus hoben, als ob ihre Arme durch unsichtbare Fäden miteinander verbunden seien, und ich fragte mich, ob dies Ergebnis jahrelanger Übung oder naturgegebener Harmonie miteinander sei. Wie auch immer, es sah klasse aus. Beinahe schwerelos schwebten diese Boote übers Fließ, ohne lästige Spritzer oder auch nur einen einzigen uneffektiven Schlenker, was uns ständig passierte! Ich hatte nach kurzer Zeit schon nasse Hosen, und Thomas bemühte sich aufrichtig, meinem ungleichmäßigem Schlag zu folgen, während ich mich bemühte, den belehrenden Ton in seinen Ermahnungen zu ignorieren, das Steuern ihm zu überlassen und mich auf die Route zu konzentrieren.

… Ich darf aber auch erwähnen, dass wir gegen Ende des Tages dem Ideal dieser eingespielten Ruderpaare schon ein wenig näher gekommen waren!   😀

Kurz vor Leipe hatten wir die nächste Schleuse zu passieren. Ein kräftiger Mann gewährte uns Einlass, bediente die Hebel und ließ uns auf der anderen Seite wieder hinaus. Auch er bekam entsprechend ein Kleingeld ins Körbchen.

An der Schleuse

Es ist hier wohl ungeschriebenes Gesetz, dass derjenige, welcher morgens als Erster an der Schleuse eintrifft, diese den ganzen Tag über bedienen und sich somit etwas Geld verdienen darf. Wir erlebten heute einige Schleuser – Männer, Frauen, junge, ältere. Auch unter Kindern ist dieser Job wohl sehr beliebt. Ein älterer Schleuser trug ein Spreewald-Gedicht vor während der Wartezeit, anderswo wurde den Gästen etwas vorgesungen. In jedem Fall war das Schleusen ein Erlebnis für sich.

Schließlich trafen wir in Leipe ein. Am Spreewaldhof, einer super hübschen Anlage mit Gästezimmern und Gaststätte, die wir in dieser Woche schon besichtigt hatten, gingen wir an Land, um etwas zu trinken und zu essen. Doch auch hier war die Hölle los – Feiertagsstimmung mit Grillen, Fisch-Räuchern und vielen vielen Gästen.

Trubel im Spreewaldhof

Wir ergatterten gerade noch einen Platz für unser Boot, mussten aber feststellen, dass es nicht erwünscht war, hier unseren eigenen Proviant zu verzehren. Gleichzeitig waren die Wartezeiten auf bestellte Speisen und Getränke wohl gerade nicht besonders erfreulich, wie wir von anderen Gästen erfuhren. Ebenso wenig war es die Schlange an der Damentoilette, welche ich aber nun wirklich nicht umgehen konnte. Im Stehen verdrückten wir unsere Brote und legten wieder ab. Hier war uns zu viel los!

Ich kann den Spreewaldhof dennoch wärmstens empfehlen – wenn weniger los ist. Wir hatten hier diese Woche lecker gegessen, und die nette Hausdame hatte uns mehrere der wunderschönen Zimmer gezeigt, die sofort Lust machen auf einen Urlaub in dieser Anlage.

Wir steuerten wieder stillere Gewäser an. Auf dem Tschapek paddelten wir Richtung Norden und von diesem in den Burg-Lübbenau-Kanal Richtung Wotschofska. Links von uns war das Kerngebiet des Biosphärenreservats, welches nicht befahren werden darf, zu erkennen an dem Speerschild am rechten Rand. Urigen wilden Wald konnten wir vom Wasser aus erkennen.

Wir paddelten langsam vor uns hin, ließen uns auch mal treiben, machten Fotos, und auch wieder ein Selfie, heute ein Paddelselfie.

Paddelselfi

Schließlich erreichten wir eine weitere Schleuse – diejenige, wo uns der Schleuser mit einem Gedicht erfreute. Der nette Rezitator bekam natürlich sein verdientes Trinkgeld.

Schleuse mit Gedicht

Schließlich erreichten wir das Wotschofska – ein wiederum uriges Gasthaus, schön gelegen am Fließ mitten im Spreewälder Hochwald, wo man ruhig sitzen und die Seele baumeln lassen kann. Hier her waren wir am Vortag gewandert (Wanderung von Lübbenau zur Wotschofska).

Wotschowska

Wir legten an, zogen das Boot aus dem Wasser und ließen uns im Biergarten nieder. Einmal wieder stellten wir fest, dass uns der Kaffee hier, im Osten überall gut schmeckt, während er in unseren heimischen Cafés immer bitterer und ungenießbarer wird.

Abfahrt am Wotschofka

Nach einer längeren Pause und 2 Kaffeebechern ließen wir unser Boot wieder ins Wasser, um den letzten Abschnitt in Angriff zu nehmen – wieder ein romantisches Stück Fließ, das wir am Vortag entlang gewandert waren.

Noch einmal umgab uns herrliche Stille.

 

 

Stille

An der Bootsschleppe

Doch noch einmal hieß es: Aussteigen, ein Wehr mit Bootsschleppe musste überwunden werden. Thomas zog mühelos das Kajak hoch. Als er mich jedoch aufforderte, einzusteigen und im Boot sitzend von der Schleppe aus hinab ins Wasser zu rutschen, streikte ich. Auf solch ein Abenteuer hatte ich keine Lust, unabhängig davon, dass dies auf einem Schild am Rand ausdrücklich verboten wurde. Erst als das Boot wieder brav im Wasser lag, stieg ich ein.  😀

Wir näherten uns wieder Lübbenau. Das letzte Stück zurück bis zum Bootsverleih auf dem Bürgerfließ war einfach super schön. Wir hatten uns endlich im Boot aufeinander eingestimmt und wünschten uns, der Paddeltag möge nie zu Ende gehen.

Doch leider ging er das. Beim anschließenden Abendbummel durch Lübbenau und einem letzten Spreewälder Abendessen in einem Hafenrestaurant – Kartoffeln, Quark mit Leinöl für Thomas und für mich Kürbisplinsen – sponnen wir uns ein Haus im Spreewald herbei, ein Doppelsitzer-Kajak und paddelten von nun an regelmäßig – und das in vollkommener Harmonie.   🙂

Hier ist unsere Runde:

Weitere Touren gibt es bei (auch als App verfügbar): www.spreekapitaen.de

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4 Kommentare

  1. Hallo Katrin,

    ein ganz tolles „Paddelerlebnis“.
    Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal in einem Paddelboot sass. Es war auf jeden Fall ein „Faltboot“. Kennst du den Begriff noch? Und es war auf der Talsperre Pöhl bei Plauen, Ilona kennt diese schöne Gegend. Es sind also viele Jahre vergangen seit meiner letzten Bootstour.
    Umso schön ist dein Bericht hier zu lesen. Es war doch vieles dabei, was diese Tour unvergesslich macht.

    Viele liebe Grüße
    von Frieder

    • Schönbuche

      Lieber Frieder,
      ja, „Faltboot“ ist ein Begriff. Das bin ich aber noch nicht gefahren, kann ja noch werden. 😀
      Wir überlegen schon, wo wir die nächste Passeltour starten können, so viel Spaß hat es gemacht. Vielleicht verbringen wir nächstes Jahr noch einmal unseren Urlaub im Spreewald. Das sind wirklich tolle Erinnerungen.
      Viele Liebe Grüße an euch beide
      von Katrin

  2. Annemarie Kolmsee

    Hallo, liebe Katrin,

    das ist ein wunderschöner Bericht und hat Erinnerungen geweckt. Ich saß auch schon dort mit Deinem Vater im Kahn, natürlich einem Stocherkahn und denke gern an die schöne Landschaft, aber auch an die vielen Mücken, die haben das Erlebnis etwas getrübt. Daran habe ich auch zuerst gedacht, als Ihr in den Spreewald wolltet ;-))
    Ganz liebe Grüße von

    Deiner Mutti

    • Schönbuche

      Liebe Mutti,
      das sind ja nette Erinnerungen! 😀
      Das mit den Mücken war gar nicht schlimm, denn die Mückensaison war vorbei. Z einer anderen Zeit hätte mich Thomas auch nicht in den Spreewald locken können. Wir hatten also keine Plage. Kaum wieder daheim, hatte ich eine Mücke im Schlafzimmer und am Morgen prompt ein dickes Gesicht! Man muss also gar nicht so weit reisen, um diesen Plagegeistern gutes Futter zu sein. 😀
      Viele liebe Grüße an euch
      Katrin

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